Biografie
Johanna Kirchner
geb. Stunz
24. April 1889, Frankfurt am Main – 9. Juni 1944, Berlin-Plötzensee
Aus einer sozialdemokratischen Familie in Frankfurt am Main stammend, gehört Johanna „Hanna” Stunz seit ihrem 14. Lebensjahr der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), dann der SPD an. Sie arbeitet für die Arbeiterwohlfahrt und als Zeitungskorrespondentin auf Partei- und Gewerkschaftskongressen. 1913 heiratet sie den Sozialdemokraten Karl Kirchner, mit dem sie zwei Töchter bekommt.
Laß von Menschen und Dingen Dich nur nicht niederzwingen. Nichts ist so unerschütterlich wie eines Menschen eigenes Ich.
Aus einem von Johanna Kirchner während der Haft verfassten Gedicht, um 1943
Als 1933 gegen Johanna Kirchner ein Haftbefehl erlassen wird, befindet sie sich auf einer Reise in die Schweiz, um für andere Verfolgte des NS-Regimes Fluchthilfe zu organisieren. Sie emigriert zunächst ins Saargebiet, beteiligt sich an den Vorbereitungen zur Saarabstimmung und muss im Januar 1935 weiter flüchten.
Im französischen Forbach, nahe der deutschen Grenze, bleibt sie mit dem Kampf der deutschen Hitlergegner eng verbunden und steht mit kommunistischen Gruppen in Kontakt. Als Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Saarflüchtlinge gibt sie ab 1936 mit Emil Kirschmann ein Informationsblatt heraus und wird 1937 Mitglied des in Straßburg gegründeten Hilfskomitees für die Saar-Pfalz.
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wird Johanna Kirchner auf Erlass der französischen Regierung interniert. Obwohl es zunächst gelingt, sie mit Hilfe französischer Freunde aus dem Lager Gurs zu befreien, wird sie später an Deutschland ausgeliefert.
Johanna Kirchner wird im Mai 1943 vom „Volksgerichtshof” zunächst zu einer zehnjährigen Zuchthausstrafe und in einem Wiederaufnahmeverfahren unter Roland Freisler schließlich am 21. April 1944 zum Tode verurteilt. Sie wird wenige Wochen später, am 9. Juni 1944, im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee ermordet.
Johanna Kirchner wird nach 1945 in der Bundesrepublik vielfach geehrt. In Saarbrücken erinnert seit 2012 in der Bahnhofstraße 95 ein Stolperstein an sie. 1933 befand sich hier eine von Marie Juchacz gegründete Gaststätte, die Emigrantinnen und Emigranten als Treffpunkt diente, in der Johanna Kirchner als Serviererin arbeitete.
Weiterführendes
Max Oppenheimer: Das kämpferische Leben der Johanna Kirchner. Porträt einer antifaschistischen Widerstandskämpferin, Frankfurt am Main 1974
Antje Dertinger/Jan von Trott: „... und lebe immer in Eurer Erinnerung”. Johanna Kirchner, eine Frau im Widerstand, Bonn 1985
Antje Dertinger: Johanna Kirchner (1889-1944). Verfolgt bis in den Tod, in: Florence Hervé (Hg.): Mit Mut und List. Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg, Köln 2020, S. 28-32