Ilse Kassel wächst in Berlin auf. Sie studiert Medizin und übernimmt nach dem Tod ihres Vaters Dr. Woldemar Kassel dessen Arztpraxis in Berlin-Hermsdorf.
Sie ist Mitglied der SPD und engagiert sich gegen das Abtreibungsverbot. Im Juli 1935 wird sie gemeinsam mit ihrem Schwager Kurt Schneemilch, der ebenfalls Arzt ist, festgenommen. Ihnen wird die heimliche Durchführung von Abtreibungen vorgeworfen. Die beiden kommen aus Mangel an Beweisen wieder frei, ohne dass ein Verfahren eingeleitet wird.
Ilse Kassel engagiert sich im kommunistischen Widerstand gegen das NS-Regime in Hermsdorf und wird deshalb im Sommer 1936 erneut inhaftiert. Zu diesem Zeitpunkt schwanger, kommt ihre Tochter Edith am 7. Mai 1937 in Untersuchungshaft zur Welt. Sie wird bei Ilse Kassels Schwester Hilde untergebracht.
Einige Monate später verurteilt das Kammergericht Berlin Ilse Kassel im November 1937 zu drei Jahren Zuchthaus. Im Mai 1938 wird ihr der Doktortitel aberkannt und die Approbation entzogen. Sie stellt einen Antrag auf Auswanderung nach Palästina, der aber am Beginn des Zweiten Weltkriegs scheitert.
Im Herbst 1939 aus dem Zuchthaus entlassen, arbeitet Ilse Kassel zunächst als Krankenschwester und muss dann Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten. Um einer drohenden Deportation zu entgehen, versteckt sie sich im Herbst 1942 mit ihrer Tochter Edith bei ihrer ehemaligen Patientin Tony Großmann, die einen Hof in Alt Gurkowschbruch (Górecko) bewirtschaftet.
Als die Gestapo nach den Versteckten sucht, begeht Ilse Kassel Suizid. Ihre Tochter Edith wird im Oktober 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und ein Jahr später im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Seit 2008 erinnert in Berlin-Hermsdorf ein Stolperstein an das Schicksal von Ilse und Edith Kassel.
Weiterführendes
Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Pankow und Reinickendorf, 3. Auflage, Berlin 2008, S. 139-146