Josefa Boholle arbeitet in der Weimarer Republik erfolgreich als Artistin und Tänzerin. Ihr Vater Josef Bohinge Boholle stammt aus Kamerun und ist im Rahmen der ersten „Kolonialausstellung“ 1896 nach Deutschland gekommen, ihre Mutter Stephanie Urbanowski ist Russin. 1928 schafft es Josef Boholle als einer der wenigen Kolonialmigranten, die deutsche Staatsbürgerschaft für sich und seine Familie zu bekommen.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verschärft sich die Situation für Schwarze Menschen in Deutschland. 1934 heiratet Josefa Boholle den Frisör Julius Schulte. Aufgrund der zunehmend eingeschränkten Auftritts- und Einkommensmöglichkeiten arbeitet sie von 1936 bis 1940 bei der propagandistischen „Deutschen Afrika-Schau“.
Danach ist sie als Statistin für die Bavaria Film GmbH tätig. Als die Produktionsfirma entgegen der Verträge kostengünstigere Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einsetzt, klagt Josefa Boholle gemeinsam mit anderen gegen das Unternehmen. 1943 heiratet sie in zweiter Ehe den Niederländer Cornelius van der Want, mit dem sie seit 1939 einen Sohn hat. Nachdem das Haus der Familie im März 1943 bei einem alliierten Luftangriff zerstört wird, ziehen sie nach Bromberg (Bydgoszcz).
Dort werden Josefa und Cornelius van der Want Ende 1944 festgenommen, wenige Wochen später ihre Mutter. Ihnen wird eine NS-kritische Gesinnung sowie das Abhören ausländischer Radiosender vorgeworfen. Vermutlich spielt auch die Herkunft ihrer Familie eine Rolle bei der Verfolgung. Sie werden im Januar 1945 in das Konzentrationslager Stutthof gebracht, Josefas Mutter überlebt die Haftzeit nicht.
Ich bin wegen meiner Rasse, antinationalsozialistischem Verhalten und Arbeitsverweigerung verhaftet worden.
Josefa Boholle in ihrem Antrag auf Entschädigung, um 1945/46
Nach der Befreiung günden Josefa und Cornelius van der Want eine Variete-Truppe. Sie leben zunächst in Ostberlin, ziehen dann aber in die Niederlande. Josefa van der Want leidet bis zu ihrem Tod an den gesundheitlichen Folgen ihrer Inhaftierung.
Im Oktober 2023 werden vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in Berlin-Mitte Stolpersteine zum Gedenken an die Familie verlegt.
Weiterführendes
Robbie Aitken/Eve Rosenhaft: Black Germany. The Making and Unmaking of a Diaspora Community, 1884-1960, Cambridge 2013
Katharina Oguntoye: Schwarze Wurzeln. Afro-deutsche Familiengeschichten von 1884 bis 1950, Berlin 2020