Hildegard (Hilde) Radusch wird in Altdamm (Dąbie) geboren. Der Vater, zu dem sie ein enges Verhältnis hat, stirbt bereits 1915 als Soldat im Ersten Weltkrieg. 1921 zieht Hilde Radusch nach Berlin und schließt dort eine Ausbildung als Erzieherin ab. Im Berlin der 1920er Jahre liebt sie offen Frauen, wird Mitglied der KPD und an ihrer Arbeitsstätte Betriebsrätin. Außerdem ist Hilde Radusch in der Berliner Leitung des Roten Frauen- und Mädchenkampfbundes aktiv. Im Alter von 26 Jahren wird sie für die Berliner KPD Stadtverordnete.
Wenn ich schon anders
Als die Andern bin –
Wen geht's was an? …
Hilde Radusch, 1976
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Hilde Radusch als bekannte Kommunistin von April bis September 1933 im Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin inhaftiert. 1939 lernt sie in ihrem Wohnhaus in der Oranienburger Straße ihre spätere Lebensgefährtin Else Klopsch kennen. In den Kriegsjahren unterstützt sie ihre Partnerin in dem von ihr gegründeten Mittagstisch „Lothringer Küche“. Im August 1944 vor der bevorstehenden Festnahme gewarnt, taucht das Paar gemeinsam in ihrer Laube in Prieros (Brandenburg) unter. Hilde Radusch führt dort in den letzten Kriegsmonaten Tagebuch und beschreibt darin die bitteren Umstände des Überlebens.
1946 tritt Hilde Radusch nach eigener Aussage aus „politischer Enttäuschung“ aus der KPD aus, die Anerkennung als „Opfer des Faschismus“ wird ihr nachträglich entzogen.
Das Paar lebt in den folgenden Jahren in West-Berlin, wo sie aufgrund ihrer Beziehung fortwährend diskriminiert und bedroht werden. In den 1970er Jahren engagiert sich Hilde Radusch in der Neuen Frauen- und Lesbenbewegung und wird Mitbegründerin des Frauenforschungs-, -bildungs- und Informationszentrums (FFBIZ). Sie stirbt 1994.
Weiterführendes
Claudia Schoppmann: Nicht Opfer, sondern immer Kämpferin. Hilde Radusch (Jahrgang 1903), in: Claudia Schoppmann: Zeit der Maskierung. Lebensgeschichten lesbischer Frauen im „Dritten Reich“, Berlin 1993, S. 32–41
Hermann Weber/Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945 (2. überarbeitete und stark erweiterte Auflage), Berlin 2008, S. 696
Ilona Scheidle: Der Gedenkort Hilde Radusch. Eine queer-feministische Intervention in andronormative Gedenkpolitiken, in: Frank Ahland (Hg.): Zwischen Verfolgung und Selbstbehauptung. Schwul-lesbische Lebenswelten an Ruhr und Emscher im 20. Jahrhundert, Berlin 2016, S. 125-144
Sina Speit: Die westdeutsche Frauenbewegung im intergenerationellem Gespräch. Der Nachlass von Hilde Radusch (1903-1994), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (Bd. 69), Berlin 2021, S. 151-162
Silke Schneider: Hilde Radusch, in: Siegfried Mielke (Hg.): Gewerkschafterinnen im NS-Staat. Biografisches Handbuch, Bd. 2, Berlin 2022, S. 381-395
Andrea Rottmann: Berlin 1945-48. Hilde Radusch kommt dem Sozialismus in die Que(e)re. Oder: Nachdenken über die Geschichte lesbisch-queerer Frauen in Deutschland in der Mitte des 20. Jahrhunderts, in: Michael Mayer/Michael Schwartz (Hg.): Verfolgung. Diskriminierung. Emanzipation. Homosexualität(en) in Deutschland und Europa 1945 bis 2000 (Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 126), Berlin/Boston 2023, S. 83-91